150 Jahre Bad Kohlgrub
Am 12. Juli 1870 eröffnete der königliche Advokat Dr. Simon Spengel aus München im Ortsteil Gagers das "Bad von Kohlgrub". Die Idee für die Mineralwasser-, Molken- und Kräutersaft-Curanstalt stammte von seinem Verwalter Augustin Kienzerle aus Kohlgrub.
Die ärztliche Leitung lag in den Händen von Kurarzt Dr. med. Liegl. Der Gesundbrunnen Bad Kohlgrub umfasste eisen- und manganhaltiges Mineralwasser für Trinkkuren und Bäder. Das dickbreiige Bergkiefernhochmoor in der Holzwanne kam 1874 hinzu. Die Meereshöhe von 900 m verbunden mit der klaren Bergluft, ergaben einen klimatischen Höhenkurort. Dem Badebetrieb im Ortsteil Gagers wurde 1878 vom Königreich Bayern der Titel "Bad" verliehen. Damit gab es die beiden Ortsteile "Dorf" Kohlgrub und "Bad" Kohlgrub.
Ein Pionier der ersten Stunde war Heinrich Baumgartner vom Lindenschlößchen. Er war seit 1883 im Orts- und Verschönerungsverein aktiv und brachte 1890 die erste Kurzeitung für Gäste heraus. Sein größter Verdienst war jedoch die Verwirklichung der ersten elektrischen Eisenbahn Deutschlands von Murnau über Bad Kohlgrub nach Oberammergau, die erste Fahrt war am 5. April 1900. Damit war das Bad von Kohlgrub an die große Welt angeschlossen und die Herrschaften und Adeligen kamen.
Aufgrund der großen Räumlichkeiten und luxuriösen Ausstattung der Zimmer war Bad Kohlgrub 1908 Austragungsort der ersten deutschen Skimeisterschaft. Die Schirmherrschaft lag in den Händen von Prinz Franz von Bayern.
Neben königlichen Hoheiten aus der Familie Wittelsbacher, kurte z. B. der Hotelier Lois Adlon aus Berlin 1918, 1920 und 1921 mit seiner Familie im Bad. Der berühmteste Gast war seinerzeit Prinzessin Hermine von Schönaich-Carolath, in zweiter Ehe verheiratet mit dem Deutschen Kaiser Wilhelm II.
Die Familien Faller und Buchmüller brachten mit der Umwandlung in Aktienhotels das Untere und Obere Kurhaus auf Vordermann. Die Schriftstellerin Adele Gerhard aus Berlin verliebte sich in den Ort und verewigte ihn in zahlreichen Novellen ("Die Hand Gottes", "Torfstich" und "Der Pestfriedhof").
1932 übernahm die spätere Ehrenbürgerin Else Windhäuser den gesamten Kurbetrieb im Ortsteil Gagers, der 50 ha umfasste und erweiterte die Badeabteilungen.
Während der Weltkriege stellte sich das Bad in den Dienst der verletzten und verwundeten Soldaten. Im ersten Weltkrieg wurde die sogenannte "Schützengrabenkrankheit" (Rheuma) behandelt. Im zweiten Weltkrieg war es Kurlazarett der Deutschen Luftwaffe. Nach Kriegsende wurde das Untere Kurhaus komplett mit Heimatvertriebenen aus den deutschen Ortsgebieten belegt. 1964 war es abgewohnt und musste abgerissen werden.
Mit der Verleihung des Titels "Bad Kohlgrub" am 13. Juli 1948 für den gesamten Ort, begann ein kometenhafter Aufsteig in der Nachkriegszeit. In der Amtszeit von Bürgermeister Hans Reiner wurden entscheidende Baumaßnahmen realisiert: 1953 Erstellung des Kurgartens, 1954 Errichtung Hörnle-Schwebebahn und "Post-Spiele" (Kino), 1960 Bau Haus der Kurgäste, 1975 Eröffnung von Kurpark-Restaurant-Café mit Kursaal und Bücherei. Höhepunkt der Entwicklung war das Jahr 1988 mit 635.229 Übernachtungen. Bad Kohlgrub verfügte über 3.000 Gästebetten und 31 Kur- und Badebetriebe.
Berühmte Kurgäste waren der bayerische Ministerpräsident Alfons Goppel mit über 25 Aufenthalten und 1972 die spätere Königin von Schweden Silvia Sommerlath. Das Kostendämpfungsgesetz in den 90er Jahren unter Gesundheitsminister Seehofer stürzte die deutschen Heilbäder in eine tiefe Krise aus der sie sich bis heute nicht erholt haben, dies gilt auch für Bad Kohlgrub. Seit 2008 kümmert sich die Destination "Ammergauer Alpen" umd die Gäste. Der kurzfristige Urlaubsgast hat den Kurgast mit drei oder vierwöchiger Aufenthaltsdauer abgelöst.
Die Grundlagen für eine positive Entwicklung sind noch immer vorhanden, klare Luft und sauberes Wasser, große Moorvorkommen, moderne Gästebetten und Ferienwohnungen in Hotels und bei Privatmietern. Wir sind umgeben von den Naturschutzgebieten im Naturpark Ammergauer Alpen.
Ob der aktuelle Trend hin zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaverträglichkeit zu einer Rückbesinnung auf eine Gesundheitsvorsorge mit naturnahen Heilmitteln führen wirde, muss die Zukunft zeigen.
Vielleicht braucht es dazu eine Aufbruchstimmung und Pioniergeist wie vor 150 Jahren