100 Jahre Kohlgruber Erde 01. September 1924 - 01. September 2024
Adele Gerhard - Kurzeitung von Bad Kohlgrub
Die Landschaft liegt weit geöffnet. Weichgeschwungene Höhen umziehen sie. Zur anderen Seite stehen Berge, ruhig, ernst, in warmem, starken Grün. In breitem Umkreis sieht man schroffere Form, großgerndetes, zackiges Gestein. Aber diese Berge, diese Höhen engen nicht ein, grenzen nicht ab. Das Auge blickt rings um holde Geschlossenheit. Strömt der Sonne Segen über uns, so spült sie in jeden Winkel, in die fernste Talsenkun, zu dem winzigen Weiler an der Horizontlinie. Licht, jubelndes, seliges Licht umdrängt das glückliche Auge.
Senkt sich die Nacht über Tal und Höhen und steigt der Mond, langsam, grüßend empor, so ist alles von bleicher Ruhe umgossen. Du siehst in dem schwerelosen Licht in der verschwiegensten Schlucht, zu dem kältesten Schrofen. - Du dringst durch jedes schmale Fenster, glaubst den Atem der schlafenden Kreatur zu erspüren. Geisterhaft grüßen die Ammergauer Berger in dem wallenden weißen Schein, wenn wir sinnen, nachtumsponnen übe die breite Höhe zu der Linde hinschreiten. Denke ich noch, wie sie gepflanzt ward - ein winziger schwacher Stamm, mit dem feinen Laub im Winde zitternd? Wie meine Hand sie umschloss und ich nicht glaubte, dass sie leben würde? Sie lebte und wuchs in der segnenden, glücklichen Luft - ihr Schatten schützt mich an manchem Mittag, ihr Stamm ist Leuchte, wenn ich in der Sommernacht über die Höhe wandre.
Die Landschaft liegt weit und geöffnet. Wiesengrün wohin der Blick ruhend gleitet. Frieden, frohen Frieden atmet ihr weite, offene Helligkeit…
Aber da greift seitwärts gen Norden, ein stummer, geradegezeichnender Pfad deinen Fuß. Menschenleer ist es hier. Nur ein paar graue Bretterhäuschen stechen in die weite, wie endlose Fläche. Schwarzbraune Torfstücke stehen aufgesteckt gegen den Himmel. Und plötzlich offenbart sich das Geheimnis dieser Erde. Tief siehst du hinein in den schwarzen verschwiegenen Grund - in diesen trächtigen Boden…
Weiter führt dich dein Schritt, Hütten und Torfstücke sind entschwunden. Am Horizont lang etwas dunkles, waldiges. Immer weicher und wiegender wird es unten. Leuchtend umflirren dich die Torfwiesen, die zitternden, bräunlichen Gräser, die tiefblauen Enziane, die mannshohen Sumpfpflanzen. Wie gezogen dein Fuß über dem weichenden, wiegenden Boden… Magie bannt dich und Schicksal.