Die Hälfte des Schnurbartes ist weg
Früher gab es im Bahnhof von Bad Kohlgrub eine Wirtschaft, ihr Name war “Restauration”.
Diese Bezeichnung für ein Lokal stammte noch aus der Zeit als Bayern mit Napoleon verbündet war. Dort war Treffpunktder Reisenden aber auch viele Einheimische hatten dort ihren Stammtisch oder trafen sich auf ein paar halbe Bier. Ab und zu waren wir als Jugendliche auch in der Bahnhofsresauration zum geselligen Beisammensein. Dieses Mal waren auch der Mandi und der Dieter im Lokal, die beiden warten schon etwas älter und spielten Fußball in der ersten Mannschaft. Der glückliche Umstand an diesem Abend war, dass der Franz Erhard, vulgo “Roßmetzger-Franzi” bzw. “Schofscherer-Franzi” dort seinen alljährlichen großen Auftritt hatte.
Zur Geschichte vom “Franzi” gehört sein weilder Lebenslauf für die damalige Zeit. Der Franzi war eigentlich ein Münchner, der im Schlachthof von München Pferdemetzger gelernt hat, daher sein Spitzname “Roßmetzger-Franzi”. Aus mir unbekannten Gründen verschlug es ihn aufs Land und er landete in Bad Kohlgrub. Für die damalige Zeit hatt er vieln von der Welt gesehen, denn er war unter anderem Matrose auf dem Viermast-Handelsschiff “Pamir” von der Reederei Laeisz aus Hamburg. Der Franzi war auch dabei als das Schiff Kap Horn umrundete. Am 21. September 1957 sank die Pamir in einem Hurrikan und 80 Mann von insgesamt 86 Mann ertranken. Ursache war angeblich eine falsche Beladung der Gerste aus Südamerika.
Der Franzi war nicht nur Matrose, er war damals der Einzige der in unserem Ort tätowiert war. Daneben war er Flieger im ersten Weltkrieg, Schafscherer in Australien, daher sein Spitzname “Schafscherer Franzi” und Hochträger bei Andenexpedition. Zuletzt war er Dienstmann und Kofferträger am Ort.
Jedes Jahr am 21. September, dem Datum des Schiffuntergangs betrank er sich und erzählte wilde Geschichten von den Hafenstädten auf der ganzen Welt, z. B. seine Erlebnisse in der Hafenstadt Tampico in Mexico und seinen Bardamen und leichten Mädchen. Um die Geschichte besser zu verstehen, muss man feststellen, dass der Franzi wenn er in seinem Element war, das ganze Lokal unterhielt. Eine Besonderheit von ihm war, dass er die Geschehnisse zeitlich ganz genau umschrieb, z. B. in Tampico in der Hafenbar am Vormittag um ½ Zehn.
Sein ganzer Stolz war sein gezwirbelter Schnurrbar der so weit aus dem Gesicht ragte, dass er die Bartspitzen hinter seinem Kopf wieder zusammen brachte. Der Abend war super und der Alkoholspiegel vom Franzi stieg und stieg und seine Geschichten aus der Welt wurden immer wilder und er vergaß seine Umgebung. Der Mandi, der auch berühmt-berücktigt war für seinen Schalk, besorgte sich beim Wirt eine Schere und schnitt dem Franzi in einem Augenblick in dem er abgelenkt war, die Hälfte von seinem Schnurrbart ab. Der Franzi hatte nichts bemerkt und die Leute kugelten sich vor Lachen wegen seinem fehlenden Schnurrbart, er meinte aber es liegt an seinen Geschichten.
Als der Franzi am nächsten Morgen mit einem brummenden Kopf zum Frühstück kam, meinte seine Frau nur kurz: “Wie schaust den du wieder aus”, schau doch mal in den Spiegel. Beinahe hätte ihn der Schlag getroffen, der halbe Mannesstolz war weg und er war sehr einseitig.
Er hatte natürlich einen Verdacht und würdigte uns wochenlang mit keinem Blick und zeigte uns die Verachtung. Aber die Barthaare wuchsen ja wieder nach und nach einigen Monaten war der Franzi wieder ein toller Typ und erzählte wieder seine Erlebnisse.