Sitte und Brauch

um 1909 in Kohlgrub

Aufzeichnung von Hauptlehrer Löffler mit Weiterleitung an das Bezirksamt Schongau

Im Alltagsleben

Zeit der Mahlzeit

06:00 Uhr Morgensuppe: und zwar Brenn- oder Wassersuppe aus gebrochenem Hafer und Korn.
09:30 Uhr Mittagessen: Zuerst Sauerkraut und Kartoffeln, dann Topfen- oder Rohrnudeln, Dampfnudeln oder gebackene Nudeln, gedrehte Nudeln mit Kletzen oder gekochten Apfelschnitzen.
03:00 Uhr am Nachmittag: Im Winter Milch und Brot, im Sommer Bier
07:00 Uhr auf die Nacht: Abendessen, Kartoffeln und Kraut, dazu Rollgerstensuppe

Nudelteig wird mit der flachen Hand angemacht. Gegessen wir gemeinschaftlich aus einer Schlüssel. Löffel und Tische nur mit dem Tischtuch oder mangels eines solchen, mit der Schürze abgewischt. Das Zutrinken ist hier sehr gebräuchlich und beleidigt sehr, wenn man den angebotenen Trunk unbeachtet lässt.

Beschäftigung an den Abenden

Nach der Stallarbeit sitzen die Mannerleut in der Stub´n beisammen, die Weiberleut Spinnen oder stricken und flicken. Das Spinnen wird schon seltener.
An Sonn- und Feiertagen in der Faschingszeit, auch jeden Donnerstag gehen die Burschen, zuweilen auch die älteren Männer zum Bier.
Gegen 8 Uhr wird zu Bette gegangen und um morgens 5 Uhr zum Gebetläuten aufgestanden.
Bauern, welche Baam fahren, stehen schon um 3 - 4 Uhr auf.

Christfeste und Feiertage

Am 6. November fahren viele zum Leonhardfest nach Froschhausen.

Im Advent wird nur noch der Sanaklostag (Vorabend vor Nikolaus) am 5. Dezember besonders gefeiert, aber nicht als Feiertag, sondern als Geschenktag für die Kinder und Patinnen. Die Patinnen schicken schon am Vorabend von Nikolaus Geschenke, wie Kleidungsstücke, Nüsse und Lebkuchen im Werte von 8 Mark pro Dodla. "Dodla" ist sowohl der Name der Patin als des Patenkindes.

Am 3. Weihnachtsfeiertag lassen d´Leut, Wein in der Kirche weihen - Johanniswein genannt, wovon jedes im Haus einen Schluck bekommt. Christbaumfeier nur in wenigen Häusern üblich, auch besondere Hauskrippen gibt es nicht.
Am Stephanstag (26.12) bekommen die "Dirn" und der "Knecht" einen Biraloab und wenn sie zu Lichtmeß schlenkern, das heißt den Platz wechseln, dürfen sie ihm auch bei der künftigen Bäuerin holen. Das Dienstaufsagen, kündigen, heißt man "Dinga". Es geschieht meistens schon um Georgi oder Jakobi und gilt jedesmal für Liachtmeß.

Am Vorabend von Neujahr im alten Jahr, zieht bei uns die Musikkapelle, neun Mann stark, auf die Riadara - gemeindliche Ortschaften, zum Neujahranblasen hinaus, wofür sie Birabrot, Schnaps und Geld bekommen. Von den Bauern 2-3 Mark. Das Neujahrwünschen ist wie anderswo.

Am Dreikönigsvorabend werden alle Kammern, Kuchl und Stallungen unter Gebet und Weihwasser, "hl. Dreikönigweichbrunnen" auch "Chrysamwasser" genannt beräuchert.
Ein wichtiger Tag ist der Lichtmeßtag - Dienstbotenwechsel. Wenn der Knecht zum Lohnempfang (Loah) geaht, sagt er für sei Seal (Seele) "Griaß di Gott, Lichtmeßdog, kimscht heier scho maeh, vor am Johr hi i mir nix daschbort und heier geaht´s ma meah a so.

2. Februar Lichtmeßtag - ist der Ausstehtag
3. Februar Blasiustag - ist der Schlenkertag
4. Februar - ist der Raschttag
5. Februar - ist der Einsteatag


In der Faschingszeit ist das Maschgara geah namentlich jeden Donnerstag und Sunnta stark üblich, dabei ziehen sie von Haus zu Haus, wobei einer mit dem "Maulargala" (Mundharmonika) aufspielt und die anderen tanzen.
Fastnachtsonntag und Faschingsdienstag ist Musi - nach der vormittägigen Kirche sehr feierlich. Maskenaufzug, zum Teil mit Pferen und Verkündigung der nachmittäglichen Veranstaltung, welche mitunter sehr gelungen sind, z. B. Menageriewagen, Automobil, etc. Faschingsdienstag, nachts 11 Uhr wird die Fasten mit allen Kirchenglocken eingeläutet, womit der Tag aufhört. Aschermigta ist Geldbeutelwaschen und Heringsessen.

Das Ratschen in der Karwoche geschieht von den Kindern indem sie von einem Dorfende zum Anderen mit ganz kleinen und größerern Ratschen ziehn. Am Oaschtermada-abend geht der Bursch zu seiner Bekanntschaft und holt sich Ostereier, die erhält er von ihr in einem buntfarbigen "Schneiztüachl". Karsamstag wird das Osterfeuer geweiht und von den Buben mittels Baumschwämmen (Zunderschwamm) von Haus zu Haus gegen Entlohnung von 5 Pfenning gegen ein Ei gebracht.
Der Kuhhirt geht in der Osterzeit in die Stallungen und sägt dem Hornvieh die Hornspitzn ab, wofür er Ostereier bekommt (alter Brauch).

Sonnwendfeuer waren bis vor ca. 10 Jahren noch üblich, jetzt nicht mehr. Dagegen um Jakobi die Bergfeuer.

An Kirchweih wird den ganzen Tag gegessen und getrunken, es wird jeder Kirchweihgast bewirtet. Nachmittags Kirchweihmusik, auch am Montag wozu die Burschen ihre Madlan am Weg von der Kirche abfangen.

Allerseelen die üblichen Umzuüge im Friedhof.

Martini ist bei uns kleine Kirchweih ohne Musik und ohne Martinigans - weil es bei uns keine gibt.

Jeden Vorabend an Sonn- und Feiertagen wird um 2 Uhr mittags Feierabend geläutet und die Dorfgasse sauber gekehrt.
 

Im menschlichen Lebenslauf

Nach Kinderglauben kommen die Kinder vom Kindelsgraben, einem Bergbach. Das erste Geschenk gibt´s Dodla, 1-3 Marks, wird ins Wickelkissen gesteckt. Patin (Dodla) ist immer eine Weibsperson, nie ein Mann, wird aber doch "Död" genannt. Nach der Taufe Einkehr beim Wirt. Dodla, Hebamme und Nachbarin welche jedesmal "S´Kindla" draht, hierbei einfaches Essen und Bier.

1. Kind erhält den Namen vom Dodla oder Död
2. Kind erhält den Namen von seiner Mutter oder Vater
3. Kind erhält den Namen von seinen Großeltern.
Die folgenden von Geschwister der Eltern, Großeltern oder von Heiligen.
Kirchenpatron Martinus, Georg, Josef, Hansjürgl, Sebastian = Patron der Filialkirche St. Rochus, früher die Doppelnamen Hansmichl, Hanspaula oder Marie-Anna.

Sehr oft werden Ehen ohne vorherige Lieb- bzw. Bekanntschaft geschlossen. Irgend jemand macht die Heirat, das heißt er rekommandiert die Personen zueinander, weil "Sie" beziehungsweise "Er" a richtigs Leit isch, nüchtern und brav und a scheans Sach hat ma o, dann geht der Vater der Braut oder des Bräutigam mit diesen auf Bschau. Gefällt die Braut, so gibt der Bräutigam beim Weggehen, dieser ein Drangeld 3-5 Mark, das aber die Braut durch den Heiratsmacher wieder zurückschickt, wenns ihr mal gefallen hat. Ein alter origineller Kohlgruber Hochzeitsmacher rühmte sich: á 100 Heirata hon im scho gmacht, aber in 99 Häuser darf i mir nimmer sehen lassen. Hochzeiten werden regelmäßig an einem "Manta" Montag abgehalten, vor dem Advent und in der Faschingszeit vor dem Fasten. Bei der Hochzeit findet ein Wettlauf statt, der Heiratmacher bekommt einen Kuhschwanz angehängt. Brautaus, bzw. Brautentführen ist auch hier. Geschenke nennt man "Weisat". 8 Tage danach Elternbesuch, holen des "Löffels´s" und Heiratsguats.

Für Viehkrankheiten gibt es verschiedene Symphatenmittel und auch für Vertreiben von Wanzen, welche sicher helfen. Beweise vorhanden. Eine hiesige Bäuerin kuriert beständig. An die Heilkraft des Mondes glaubt man auch.
Der Totenschmaus dauert bis in die Nacht. Die vier Nachbarn halten die Totenwach und bekommen dafür Bier und Brot, müssen auch die "Leich" tragen, ob Freund oder Feind. Trauerzeit bie Vater und Mutter 1 Jahr, sonst vier Wochen. Von den Ortschaften (Riadara) her werden die Leichen auf gewöhnlichen Wagen gefahren, wobei neue Bretter verwendet werden. Beim Heimfahren werden diese an Fußwegen besonders an feuchten Stellen hingelegt.

In Haus- und Feldwirtschaft

In Häusern wo man an Hexen glaubt, hält man sich einen Bock, weil sie dann nicht kommen. Bockshörner sieht man zuweilen.
Wenns hagelt wirft man geweihte Kräuter ins Feuer und Hagelkörner in den "Weichbrunnakeßl", daß eaha aufhörn soll.

Palma (Palmkätzchen) säht man mit Korn aus und steckte die Zweigstecken auf die Acker, daß´s net hagelt.

Zu Hl. Dreikönig bekommt das Vieh geweihtes Salz, zu Ostern dito Brot. Fast täglich besprengt man den Stall mit Weihwasser, weshalb man hier alle Wochen einen großen Zuber voll braucht.
Am Kirchweihsamstag bekränzter der Hirt einige schöne Kalb´n.

Wetterregel wie überall, teils nach dem Kempter Kalender. Zutreffend ist an dieser Beziehung, wenn´s viel Wespen geith, kommt ein gestrenger Winter.

Beim Handwerken

Es gehen auf die Stöhr sogar Schreiner und Wagner. Hemden, Handschuh macht man selber, auch Schaufl, Axt und Rechnsteile. Je dem haben alle Handwerken sogar einen Maler und Spängler.

Rechts- und Verwaltungsbräuche

Wie in der gesamten Umgebung, Dienstbotenwechsel zu Lichtmeß.

Den Hof erbt der älteste Sohn.
Die Eltern dingen sich eine Kammer und Brennmaterial aus und das tägliche Essen, dazu noch 12 Pfund Schmals, täglich 1 Ei und 1 Liter Milch. Oft auch einen oder zwei Obstbäume.
Alle ledigen Geschwister haben das Wohnungsrecht bis zur ihrer Verehelichung.

Weiter Bräuche bestehen nicht. Der Werktagsverkehr geht hauptsächlich nach Murnau

Nahrung, Kleidung, Wohnung und Geräte

1. Nahrung wie in der Umgebung.
2. Kleidung wie in der Umgebung.

Es besteht ein Volkstrachtenverein, Haxauf ist Schriftführer.

Dorflinde ist ein majestätischer Baum in der Mitte des Dorfes, ca. 300 Jahre alt und auf ganz freinem Platz an der breiten Dorfstraße.
Belustigungen oder Spiele finden dort nicht statt.

Glaube und Segen

Auf Segenswünsche und Amuletten setzt man großes Vetrauen. An Gespenster, Druden, Alpgeister, Zauber etc. glaubt man nicht.

Dem Mondeinfluss schreibt man das Waschen der Haare und Fingernägel zu.

Die Begegnung eines alten Weibes am Morgen, gern zu Neujahr oder am Geburtstag hält man für kein Glück.

So östlich vom Obernauer Einödhof gegen die Falleralm hin, soll der Sage nach ein Schloss oder eine Burg gestanden sein und zeigt man dort noch eine Grube, welche der Keller gewesen sein soll.
Die Sage kommt schon mehr in Vergessenheit wiewohl der Vorfahr vom Obernauerhof, einem sehr abgelegenem Einödhofe gerne zu erzählte, obwohl er und sein Sohn, der jeztige Besitzer sich fast ganz von aller Gesellschaft zurückgezogen hat.

Auf der Stieraml, Ausläufer des Herala, am Schatzloch Spuren einer früher betriebenen Erzgrube, welche der Sage nach von einem "Venediger Mannl".
Bis in die 20er Jare des neunzehnten Jahrhunderts Gold gesucht und gefunden wurde. Dieses geheimnisvolle Männlein quartierte sich alljährlich beim "Biermo" einem Söldner außerhalb des Dorfes bei den Mühlen ein und kehrte im Spätherbst mit seinem Schatz zurück in seine Heimat, um im Frühjahr wieder zu kommen.

Im Jahr 1633 herrschte die Pest in Kohlgrub, so dass der Ort ausstarb bis auf 2 Ehepaare.
Die Verstorbenen wurden auf einem entferten Acker "Pestacker" genannt begraben. Dort entstand dann nach einem Gelöbnis ein Kirchlein zu Ehren des wundertätigen Hl. Rochus, den man das Erlöschen der fürchterlichen Krankheit verdankt.
Noch werden Verlöbnisse dorthin gemacht, wovon zahlreiche Motivtafeln zeugen.
Das Kirchlein ist 1634 erbaut und heuer wieder einmal renoviert worden.
In der Schauerzeit ist jede Woche dortselbst eine Schauermesse und jeden Sonntag 6 Uhr ein Bittgang mit den Kindern und alten Leuten, jedoch ohne Priester, aber mit einer Fahne und Kreuz dahin, wenn auch zu dieser Zeit täglich mittags 12 Uhr in der Pfarrkirche das sogenannte Schauerläuten mit 2-5 Glocken ist.
Auch das Wetterläuten ist üblich.

Texte: Martin Doll, Heimatpfleger